14.07.2020

Artikel für die “UNOPost“:

Was hat eigentlich ein Raketenpostbeleg in einer UNO-Sammlung verloren?

Vielleicht Freunde?

Es gibt tatsächlich nicht viele derer, die sich hier sammeln lassen. Die uralten Versuche, diese zu katalogisieren sind ja ganz nett, gehen aber über eine Seite selten hinaus. Auch beim Durchstöbern alter Publikationen aus den Reihen der UNOP, viel mir bislang mit Ausnahme der 2019er Ausgabe, nichts wirklich in die Hände.

Also bleiben fast vereinsamt die Angaben im seit fast fünfzig Jahren ungepflegten „Linder-Katalog“. Mir selbst liegt auch nur die 1969/70er Auflage vor, in der eine halbe Seite an Recherchegröße das Interesse an solchen Belegen vermissen ließ…

Aber wie auch immer… Die Seite 270 in diesem antiquarischen Exemplar legitimiert (unten links) ein wenig das Beschäftigen mit jenen von kaufmännisch motiviert erzeugten Belegstücken. Mit den Katalognummern AF/61R1 bis 62R3 sind’s ganze drei zu diesem Zeitpunkt aufzählungswerte Editionen. Privataufgaben, Zuleitungen, oder zweckgebundene Postbeförderungen waren es ja nie. Sie sollten immer nur private Einnahmen generieren. Nicht einmal gemeinnützigen Vereinen Mittel beschaffen, wie z.B. bei der Ballon- und Luftschiffpost der Österreichischen PJ.

Dabei fing alles absolut interessant an … bereits vor nunmehr gut 200 Jahren … während der Belagerung der von napoleonischen Truppen besetzten Festung Glogau durch die Preußen (in Koalition mit den Russen). 

Im „Postarchiv“ von 1888 wurden in Glogau drei „Raqueten“-Postbeförderungen verzeichnet.

Am 07. und 18. Januar, sowie noch am 30.März 1814 (kurz vor der Kapitulation in Paris nur einen Tag später). 

Eine Kommunikation zwischen den Kontrahenten wurde quasi raketengeschossen. Aufrufe, Zeitungen sowie Flugblätter (welche auch als eine Art „Pionier“ der medialen Kriegführung gelten dürften) waren deren Inhalte.

Der „General-Gouverneur“ der belagerten Stätte Baron le Laplane – äußerte sich nach dem Empfang der Raketen entsprechend: „Friedrich griff die Festungen nicht durch Zeitungen an. … Erfinden Sie Lügen, soviel Ihnen beliebt; nehmen Sie Festungen ein; Erobern Sie Kanonen zu Tausenden; machen Sie ganze Armee-Korps zu Gefangenen; tödten Sie alle Marschälle und Generäle; ich verlache mit meiner Garnison ihre abgeschmackten Märchen; welche Sie in der Folge zu widerrufen genöthigt sind.“ …

Kurz davor hatte man sich zur Übermittlung von Informationen noch erfolgreich Tauben bedient, aber eben auch die ersten bekannten Raketen geschossen. Welch Metapher!

Heute ist etwas klischeehaft der Name „Zucker“ mit dem Thema „Raketenpost“ verknüpft. Dabei waren es ja Wernher von Braun oder Rudolf Nebel, die es zu gewissen Ehren brachten. Einträge allerdings zum Namen „Gerhard Zucker“ im analogen Brockhaus-Lexikon der Jahre 1935 und 1995 finden sich nicht. Im Online-Bereich der Wikipedia liest sich die Geschichte seines Lebens allerdings auch weniger spektakulär bis gar verstörend für seriöse Sammler von Belegen dieser Beförderungsart. Er war halt Möbel- und Lebensmittelhändler.

Bei soviel Ungereimtheiten entsteht bei Interesse durchaus Potenzial zum Weiterrecherchieren.

Allerdings liegen eine Reihe Veröffentlichungen und Katalogisierungen zum Thema vornehmlich in englischer Sprache vor („Ellington & Zwisler Rocket Catalog“, „Raketenpost Friedrich Schmiedl“, „Rocket Mail Flight of the World“, „Pioneer Rocket Mail & Space Mail“).

Dass Frankierungen mit UN-Briefmarken auch die hiesige Sammlerschaft von Flugbelegen erreichen würde, war offenkundig sehr wohl zu erwarten. Das Sammelgebiet begann sich zu dieser Zeit zunächst langsam aber stetig gar exponentiell zu entwickeln.

Mannigfaltige Anlässe im Zeitalter der Weltraum-Euphorie der 60er Jahre beflügelten die Ansinnen von Erzeugern dieser „Post“-Erinnerungen dazu.

Bekannte Produktionen mit UN-Frankaturen liegen zum 25.Jahrestag der ersten Raketenflüge (McAllen/Texas-Reynosa/Mexico und zurück 1961) sowie als Erinnerung an den Apollo 9 – Flug (vom Rocket Research Institute Inc. am 03.03.1969 in einer Auflage von 250 Stück produziert) vor und fanden Aufnahme in entsprechende Themensammlungen. Nur seltener eben bei UNO-Sammlern.

Interessanterweise gaben die mexikanischen Behörden beim hier zu erinnernden Flug in Reynosa 1936 die Post (obwohl zeitgerecht mit Ankunfststempel versehen) erst nach dreieinhalb Jahren frei, da die Rakete beim „Eintreffen“ ein Gebäude traf und die Behörden entsprechend beunruhigte. Diese Info zumindest fand sich im Buch „AirMail, an illustrated history, 1793-1981“ von Donald B. Holmes.

Spannend, nicht wahr?

Gerhard Zucker selbst initiierte eine Aufgabe mit eigener Signatur 1962/63 von seinem deutschen Wohnort Düren ausgehend zum Andenken an den Generalsekretär der Vereinten Nationen Dag Hammarskjöld, der ein Jahr zuvor unter heute immer noch geheim gehaltenen Umständen zu Tode kam. (Die offiziellen Versionen harren ja selbst 60 Jahre nach den Vorkommnissen noch immer einer amtlichen Rechtfertigung.)

Frankiert sind zwei verschiedene Belege (Genfer Cachet – 127 Stück und Blankoumschlag – 400 Stück) mit dem Satz zur „Friedlichen Nutzung des Weltraumes“ erschienenen Marken am 03.12.1962 als Ersttagsverwendung und obligatorischen Souvenirmarken (mit und ohne Dienstsiegel).

Ein halbes Jahr später folgte noch ein Gedenkbeleg (mit 1.190 Belegen) zu Ehren von Valentina Tereschkowa (als erste Frau im Weltall) mit zwei 6c-Marken (mit Raketenmotiv) als Ersttagsentwertung einen Monat nach ihrem Weltraumflug. Es wurde zudem ein privater Begleitblock aufgelegt, welcher ebenfalls originalsigniert in einer Auflage von 5.000 Stück gedruckt und den Käufern seiner Belege nachgesendet wurde.

Dann kam es zum Unfall bei einer Raketenvorführung am 7. Mai 1964 auf dem Hasselkopf in Braunlage, der zwei Personen (darunter einem Kind) das Leben kostete. Dieser führte zu einem Verbot von privaten Raketenstarts in Westdeutschland, das auch zum Ende der in Cuxhaven stattfindenden Raketenversuche der Hermann-Oberth-Gesellschaft (Förderung des raumfahrttechnischen Nachwuchses), der Berthold Seliger Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH (Entwicklung und dem Bau von Prototypen von Höhenforschungsraketen) sowie der industriell-militärisch ausgerichteten „Luftrüstungs-AG“ führte. Gegen Gerhard Zucker selbst wurde der Prozess wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung im Jahr 1965 geführt.

In den 70er Jahren folgten wieder einige Versuche mit „Postraketen“. Postalisch sind sie aber meines Wissens für UNO-Sammler bis zu seinem Tode nicht mehr dokumentiert. Sein Ruf ist aber auch nach dem Ableben nicht besser gestellt. „Nachdem er viel (betrügerisches) getan hatte, um die wissenschaftliche Raketentechnik in Deutschland zurückzudrängen, starb Zucker 1985 zu Hause in seinem Bett.“ urteilte Astronautix.com.

Ob es für neue Interessierte Sinn macht, sich mal mit dem Thema zu befassen, ist sicherlich jedem selbst überlassen.

So geht es sicher auch mit anderen Unterthemen oder gar UN-frankierten Exoten wie; „Concorde“, „Antarktis“ oder „Schiffspost“ oder gar der raren „großen Raketenpost“, sogenannter Space-Mails. Diese Einzelstücke mit UN-Frankaturen werden eher in dunklen Tresoren ihr Dasein fristen, als dass sie Philatelisten in einem freimütigen Sammleralbum Freude schenken.

Da jedoch nach und nach das digitale Zeitalter die analoge Vergangenheit hinter sich lässt, wird auch dieses Thema irgendwann ähnlich beschrieben sein, wie im „Postarchiv von 1888“ der Kommunikationsweg der preußischen Truppen mit der napoleonischen Garde und umgekehrt in Glogau (heute Głogów).